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Blog über den Erzählabend zum Thema „Widerstandskraft“ im April 2023

Hallo, ihr Lieben,

ich begrüße euch zu einem weiteren Blog-Beitrag vom Erzählabend am 11.04.2023 zum Thema „Widerstandskraft“. In vertraulicher Runde, gestärkt von einer leckeren Suppe, haben wir Geschichten geteilt über empfundene Widerstände, angrenzende Werte und die Kraft, die diesem Grenzbereich entspringt. Ein Dank an all diejenigen, die uns einen Einblick in ihre persönliche Erfahrungswelt eröffnet haben.

Für mich war gestern Abend faszinierend, in welchen Kontexten Widerstandskraft erzeugt wird. Eine Rolle spielt dabei unbedingt, in  welcher Zeit ich aufgewachsen bin. Ich habe, rein biografisch gesehen, unterschiedliche Erfahrungsräume eröffnet bekommen, weil ich in einer bestimmten Zeit aufgewachsen bin. Gleichzeitig wurde mir erneut bewusst, wie sehr meine Widerstandskraft auf meine inneren Widerstände aufbaut. Z.B. die Kraft, die entsteht, wenn ich meinen Widerstand aufrecht erhalte. Sie mag womöglich diejenige sein, die ich dann für mich nutzen kann und in andere Situationen für mich übertragen kann. Sie macht mich auch in anderen Kontexten widerstandsfähig.

Was ich von dem Abend mitnehme, ist zum einen, dass Widerstandskraft etwas mit meinen Werten zu tun hat. Nicht selten entsteht Widerstand, wenn Teile meines Wertesystems, wie Gerechtigkeit oder Fairness, angegriffen werden. Weil etwas als in meinen Augen ungerecht empfunden wird, entsteht eine Kraft, die aus den persönlich empfundenen Widerständen emporsteigt. Ich kann diese Kraft nutzen, um Veränderung anzustoßen, standhaft zu sein oder die eigene Stimme zu erheben.

Eine der eindrücklichsten Arten, Widerstandskraft aufzubauen, ist, sich gegen Bestrafung zur Wehr zu setzen. Ich habe gestern Geschichten gehört, in denen Widerstand eine Ausdrucksform gegen “blinden” Gehorsam darstellt. Ich habe kraftvolle Geschichten gehört, wo Widerstand aufrechterhalten wurde, um die eigene Integrität zu schützen. Diese Kräfte ermöglichten Raum für Kreativität, sie verhalfen der Protagonistin zu immer neuen Ideen, die eigenen Bedürfnisse zu stillen. Und das, obwohl das körperliche Züchtigung oder Liebesentzug nach sich zog. Das Beeindruckende an dieser Geschichte war für mich, dass selbst die schärfsten Maßnahmen wirkungslos blieben, weil die Widerstandskraft der Person sie abprallen ließ.  

Auch interessant war die Geschichte einer Suche nach einem passenden beruflichen Rahmen. Für mich war inspirierend, wie die Protagonistin immer dann Veränderung anstrebte, wenn sie bemerkte, dass sie deutlich Widerstände verspürte. Für sie war wahrzunehmen, dass ihr Kernwert nach einem friedvollen Sinn des Unternehmens herausgefordert war, als sie bemerkte, dass die Geldgeber eines ihrer Projekte in Bereiche der Rüstungsindustrie investieren. Sie überprüfte für sich, ob sie ihre eigenen Widerstände beiseite schieben kann, weil sie auf kollegialer Ebene viel Erfüllung fand. Die Kraft dieses Widerstands half ihr dennoch, sich selbst treu zu bleiben und den schmerzlichen Schritt hin zu einer Trennung zu gehen und sich mit dieser Lernerfahrung einen neuen Rahmen zu suchen.

Meine persönliche Geschichte im Hinblick auf die eigene Widerstandskraft bezieht sich an dem Abend auch auf berufliche Erfahrungen. Als Sozialarbeiter komme ich nicht selten in die Lage, dass ich mich auf individueller Ebene mit der Passgenauigkeit von Maßnahmen auseinandersetzen muss. Die Kraft des Widerstands entspringt für mich dort, wo ich mich stark für andere mache, indem ich die allgemeinen Gegebenheiten und Regeln für einen individuellen Zusammenhang infrage stelle. Aus einer humanistischen Perspektive heraus verspüre ich immer dann Widerstand, wenn Menschen eine bestimmte Passung aufgezwungen wird. Die Kraft, die ich dann für mich nutzen kann, schafft Raum für Aushandlung und Gerechtigkeit. Sie ermöglicht es mir, die Würde des Menschen zu verteidigen und für sie einzustehen. 

Auffallend war, dass im Verlauf des Abends noch weitere Geschichten des Themenfelds “Beruf” zu hören waren. Sie spiegelten beispielsweise die freie Wahl der Arbeitsweise wider. Thematisch wurde offenbar, dass es sich in Deutschland durchaus immer noch so darstellt, dass Angestelltenverhältnisse scheinbar mehr Sicherheit erzeugen. Widerstandskraft scheint in diesem Kontext ein wichtiger Hebel zu sein, sich aus diesem “sicheren” Rahmen zu lösen. Dabei ist nicht nur die Entscheidung für eine selbstständige Arbeit entscheidend, sondern auch die Entscheidung für eine freiheitliche Ausgestaltung der eigenen Interessen. Widerstandskraft verhilft mir dazu, mir ein Setting zu schaffen, in dem ich Auszeiten nehmen kann und Balance schaffen kann für die eigenen Bedürfnisse. Und nicht zuletzt hilft sie mir, die Risiken meiner Entscheidungen z.B. im Hinblick auf notwendige finanzielle Sicherheit im Blick zu behalten. 

Dass sich an diesem Abend viel um Arbeitsumfelder drehte, verwundert mich am Ende nicht. Denn in unseren Arbeitswelten erfahren wir oft genug persönliche Widerstände, die unserem Wertesystem   teilweise heftig entgegenstehen. Wir erleben in unserem beruflichen Alltag oft immer noch das Gefühl zeitlicher Enge, verbunden mit Frustration und Überforderung. Ich persönlich weiß für mich, dass eine Form der zeitlichen Abgrenzung nur bedingt ein Mittel der Qualitätssicherung darstellt. Widerstände entstehen hier vor allem dann, wenn man beispielsweise viele Ressourcen darauf verwendet, seine Aufgaben an die zeitlichen Vorgaben anzupassen. Im besten Fall lässt sich die Widerstands-Energie für kreative Momente oder selbstverwirklichende Aktivitäten nutzen, wenn das Arbeitsumfeld solche Räume bereithält. Für mich liegt der Widerstand vor allem im persönlich empfundenen Mangel an Vertrauen. Liegt ausreichend Vertrauen im System, lassen sich zeitliche Begrenzungen insofern auflösen, weil ich mich z.B. als kompetent genug begreife, die eigenen Handlungsspielräume aktiv auszufüllen. 

Ich für mich nehme aus den Geschichten des Abends mit, dass es wichtig ist, seine Widerstandskraft ernst zu nehmen. Sie taucht womöglich immer dann auf, wenn wir in unseren Kernwerten herausgefordert sind. Wenn das passiert, schenke ich mir und anderen die Möglichkeit, innezuhalten. Widerstände als fruchtbare Irritation verstanden, versetzen mich durchaus in die Lage, die Kraft so zu kanalisieren, dass Raum für neue Wege entsteht. Ich bin überzeugt davon, dass in solchen Momenten nährende Verbindung geschaffen wird. Das mag für manche Menschen befremdlich wirken, gleichzeitig ist es ein Raum für Empathie, weil ich darin eine Chance sehe, mein Gegenüber und seine Ausdrucksformen näher kennenzulernen. Dass dort u.a. Unsicherheit und Angst zu finden sind, ist meiner Meinung nach menschlich. Darüber zu sprechen, indem man die Geschichte seines Widerstands teilt, hilft uns womöglich zu mehr Leichtigkeit, Verständnis und Zuvertrauen. 

Bleibt noch zu sagen: Bis zum nächsten Mal in der Kulturküche. Habt eine gute Zeit. Ich freue mich schon jetzt auf einen weiteren Abend mit euch im vertrauten Kreis.

Es grüßt euch herzlich euer Daniel

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