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Blog über den Erzählabend zum Thema „Einsamkeit“ im Dezember 2022

Heute darf ich euch wieder begrüßen zu unserem nächsten Megafon-Blog-Beitrag vom Erzählabend am 12.12.22 zum Thema „Einsamkeit“. Wir haben uns an diesem Montag wieder in kleiner Runde eingefunden, um uns, von einer leckeren Suppe gestärkt, zu diesem zum Teil überwältigenden Gefühl auszutauschen. Denn über Einsamkeit zu sprechen, verändert etwas. Es verändert nicht nur die Wahrnehmung für dieses sehr subtile Gefühl, sondern öffnet auch den Raum für den Blick auf die Einsamkeit anderer, die sich womöglich wünschen, in ihrer Einsamkeit wahrgenommen zu werden.

Wir sind in diesen Abend mit Erzählungen eingestiegen, die vor allem die Ausprägungen von Einsamkeit fokussierten. Aus den Geschichten heraus hörte ich, was in mir passieren kann, wenn ich mich einsam fühle. Überschneidend war bei fast allen, dass Einsamkeit nicht selten in Verbindung mit selbstverletzendem Verhalten steht. In dem Moment, wo ich mich einsam fühle, stelle ich mich womöglich selbst infrage. Ich werte mich ab und fühle mich dadurch wertlos. Ich habe das Gefühl, dass ich es nicht Wert bin, dass jemand sich mir zuwendet. Ich habe das Gefühl, keine Beachtung zu verdienen. Ich befinde mich womöglich in einem Strudel negativer Selbstzuschreibungen, aus dem ich alleine nicht rausfinde, weil ich in gewisser Weise handlungseingeschränkt bin. Dadurch stellt sich durchaus ein Gefühl der Leere ein, was einem die Energie förmlich raus zieht. 

Umso schwerer ist es für Außenstehende zu erkennen, ob sich eine Person einsam fühlt. Wir stellten fest, dass Menschen, die von Einsamkeit betroffen sind, in ihrer Lebenswelt nicht immer als bedürftig wahrgenommen werden. Nicht immer sind es Personen, die sich in ihrer Wohnung verschließen und dort unsichtbar für andere sind. Seine persönliche Einsamkeit möchte nicht jeder thematisieren. Das heißt eben auch, dass wir mit Menschen zu tun haben, die in ihrer Einsamkeit unerkannt sind, weil sie z.B. gelernt haben, so unauffällig zu kommunizieren, dass die Gefühle der Einsamkeit beim Gegenüber nicht durchdringen. Umso schwerer wiegt dieser Modus des Verdeckens, wenn sich diese Person erhofft, dass ihr Leid endlich erkannt wird. Dann kehrt sie womöglich mit Gefühlen von Enttäuschung und Scham zurück in ihre einsame Lebenswelt und sieht sich bestätigt.

Auf der anderen Seite ist es nicht weniger herausfordernd, Menschen in ihrer sichtbaren Einsamkeit zu begegnen. Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass diese Menschen mit extremen Gefühlen von Scham konfrontiert sind. Einsamkeit erzeugt dann womöglich eine Mauer des Schutzes vor Enttäuschung. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Mauer aufgebaut ist mit der Angst, nicht erkannt zu werden oder mit der Angst vor der Flüchtigkeit des Moments, dass nichts von Dauer sein kann. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Mauer aus großem Misstrauen besteht. Dem Misstrauen, dass andere sich nicht wirklich für mich interessieren. Dass andere sich nur aus Mitleid und nicht meinetwegen mir zuwenden. 

Dort Empathie herzustellen, wo solche hohen Mauern entstanden sind, bedarf es womöglich einer großen Akzeptanz. Einer Akzeptanz für die Begrenztheit des aktuell Möglichen. Und gleichzeitig mag es hilfreich erscheinen, sich der Offenheit für den Unterschied des Moments nicht zu verschließen. Denn statt sich zurückzuziehen, weil man das Gefühl hat, dass man nicht wirksam ist, lässt es einen womöglich selbst diese Widerstände erkennen und annehmen. Zweifeln ist kostspielig, wenn es gegen das eigene Selbst gerichtet ist. Daher macht es oft schon einen Unterschied, sich der eigenen Gefühle gewahr zu werden und diese mit dem anderen zu teilen, insbesondere für einen selbst. Gleichzeitig stärkt es womöglich mein Gegenüber, weil es feststellt, dass sie*er nicht allein mit diesem Gefühl ist. 

Was in dieser Art der Zuwendung noch zu finden ist: Dieses Gefühl der Leere, das mit Einsamkeit einhergehen kann, wird beschreibbarer. In dem Moment, wo mein Gegenüber mir Anregungen schenkt, wie sich diese Leere für sie*ihn anfühlt, finde ich womöglich neue Ausdrucksformen auch für mich. Es gelingt mir vielleicht, meinem Gefühl einen anderen Ausdruck zu verleihen und schafft so Raum für neue Ausdrucksformen und Leichtigkeit.

Wir hatten an diesem Abend die Idee, dass Wege aus der Einsamkeit heraus eine tiefere Form der Verbundenheit benötigen. Es reicht womöglich nicht aus, sich an der Oberfläche abzulenken oder nach Aufgaben zu suchen, die die Einsamkeit überdecken. Sie verweilt in den tieferen Schichten der Seele und kann nur dort erkannt und verändert werden. Interessant war dabei der Aspekt, dass es womöglich erst die Verbundenheit mit sich selbst benötigt, um die eigene Einsamkeit zu transformieren.

Für mich war neu, dass es durchaus Menschen gibt, die das Gefühl von Einsamkeit kaum erinnern. Im Gespräch kam die These auf, dass die Lebensweise in hohem Maß darauf Einfluss nimmt, ob ich mich mit der Welt verbunden und dadurch weniger einsam fühle. Nicht zu klären war, ob es sich hierbei womöglich um eine geübte Ablenkungsstrategie handelt. Man könnte meinen, dass ich mein Einsamkeitsempfinden vor mir herschiebe, indem ich ständig im Außen nach neuen Aufgaben suche. Und dennoch scheint hinter einer Lebensweise der stetigen Bewegung Raum für Einsamkeit zu sein. Ich glaube, dass es womöglich weniger wichtig ist, sie in Worte zu kleiden, als sie in ihrem Kern zum Ausdruck zu bringen, damit andere ihr Gespür für die Situation einbringen können und mir in meiner Einsamkeit begegnen können. Es mag sein, dass solche Lebensweisen für den ein oder anderen, für die ein oder andere eine natürlich geformte Ausprägung ihrer*seiner inneren Haltung sind. Das erleichtert den Umgang mit Einsamkeit womöglich erheblich. Es mag auch sein, dass eine solche Lebensweise dem Einsamkeitsempfinden keinen Raum lässt, weil ein ständiger Verlagerungsprozess stattfindet. Und es mag sein, dass es irgendwie anders ist. Gleichwohl wie: Das Gefühl von Einsamkeit gehört zu uns, egal, wie wir ihm begegnen.

Für mich ist es bemerkenswert, wie unterschiedlich Menschen gelernt haben, mit ihrer Einsamkeit umzugehen. Allein die Möglichkeit, dass ich mich unter Menschen bewegen und mich gleichzeitig einsam fühlen kann, klingt für mich paradox. Und dennoch kommt das nicht selten vor. Was hilft mir in solchen Momenten, mein Einsamkeitsgefühl zum Ausdruck zu bringen? Welche Möglichkeiten habe ich für mich, dieses Gefühl von Leere zu füllen, ohne auf den ersten Schritt eines kompetenten Anderen angewiesen zu sein? 

Da sich unter dieser Frage mehrere Betrachtungsebenen zeigen, versuche ich mich auf zwei zu konzentrieren, die mir wesentlich erscheinen. Zum einen vermute ich, dass hinter dem Wunsch nach Auflösung der Einsamkeitsgefühle Widerstände der Offenbarung liegen. Vielleicht versucht man sich auf eine Art zu zeigen, die andere nicht wahrnehmen können, z.B. durch Rückzug, Stille, Banalisierung, Übertreibung, Ironisierung o.ä. Man erhofft sich womöglich, dass andere diese Irritation wahrnehmen und den wahren Kern des Ganzen erkunden wollen. Diese Vorgehensweise erscheint insofern fragil, weil mein Gegenüber das an der Oberfläche Ausgedrückte für das Wahre halten könnte. Es könnte daher helfen, sich von dem Wunsch zu lösen, dass andere erkennen, wie es mir geht und mich in seiner Einsamkeit verletzlich zu zeigen, auch auf die Gefahr hin, dass mein Gegenüber damit überfordert ist. Zum anderen wäre es durchaus wünschenswert, wenn mein Gegenüber den Mut hat, den eigenen Irritationen nachzugehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle in der Lage sind, zu erspüren und zu erkunden, ob hinter dem Gesagten noch eine tiefere Ebene ausgedrückt ist. Und ich bin auch davon überzeugt, dass wir alle in der Lage sind, unserem Gegenüber zu vermitteln, dass darin nichts Falsches liegt, sondern ihm vielmehr das Bedürfnis nach Verbundenheit zu schenken, weil man ihm*ihr dadurch das Gefühl des Falsch-Seins nimmt.

Wir waren uns alle darin einig, dass unangetastete Gefühle von Einsamkeit auf Dauer schädlich sind. Die Vorstellung, dass sich eine Person permanent einer inneren Leere ausgesetzt sieht, ist womöglich ein starker Energieabsorbierer. Und wir waren uns auch einig, dass das Gefühl der Verbundenheit einen wesentlichen Unterschied machen kann. Es darf nicht unser Ziel sein, Einsamkeit zu vermeiden, da das wahrscheinlich unrealistisch ist. Sondern vielmehr anzunehmen, dass Gefühle von Einsamkeit dazu gehören und dies anderen gegenüber zu öffnen. Denn Einsamkeit ist ein Signalgeber wie andere Gefühle auch. Sie zeigt mir vielleicht einen Mangel an, den ich gerade empfinde. Sie zeigt mir womöglich an, dass ich Verbindung brauche, mit mir selbst oder mit anderen. In ihrer kraftvollsten Form treibt sie mich vielleicht sogar dazu an, mich anderen zu öffnen. Das ist für mich die große Chance.

Ich möchte an dieser Stelle von Herzen meinen Dank an all diejenigen aussprechen, die sich diesem teils unscheinbaren und doch wirkmächtigen Thema gestellt und mutig ihre Geschichten mit allen geteilt haben. Auch möchte ich mich beim Team der Kulturküche für die leckere Mahlzeit bedanken, die uns immer wieder einen geselligen Einstieg in den Abend ermöglicht. Mir ist an diesem Abend nochmal deutlicher geworden, dass Einsamkeit uns alle betrifft und dass wir uns gegenseitig in unserer Einsamkeit begegnen und stärken können. Das würde für mich einen großen Unterschied machen. 

So sag ich zum Schluss noch: Bis zum nächsten Mal in der Kulturküche. Habt eine gute Zeit. Ich freue mich schon jetzt auf einen weiteren Abend mit euch im vertrauten Kreis.

Es grüßt euch herzlich euer Daniel

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